Kinder, die vor der Geburt häufiger einer Entzündung ausgesetzt waren, zeigten später schwächere schulische Leistungen und entwickelten im mittleren Erwachsenenalter bereits erste Anzeichen kognitiver Beeinträchtigungen. Während bei Männern bereits im Alter zwischen 45 und 55 Jahren Gedächtnisprobleme und verringerte Aktivität in bestimmten Hirnregionen auftraten, verschlechterte sich die kognitive Leistung bei Frauen erst nach der Menopause – dann jedoch stärker. Damit lässt sich erneut belegen, dass Stressfaktoren im Mutterleib langfristige gesundheitliche Folgen haben können.
Ein klassisches Beispiel ist der „Hungerwinter“ 1944/45, bei dem Kinder hungernder Schwangerer später häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 und Schizophrenie entwickelten. Die „New England Family Study“, eine umfangreiche Untersuchung von fast 18.000 Kindern in den 1960er Jahren, lieferte Forschenden neue Erkenntnisse. Damals archivierte Blutproben von Schwangeren wurden analysiert und mit den Ergebnissen von 204 Teilnehmenden im Alter von 45 bis 55 Jahren verglichen. Die Wissenschaftler untersuchten Gedächtnistests, Entzündungsmarker und Hirnaktivität.
Die Ergebnisse zeigen: Männer, die im Mutterleib einem hohen Anteil an speziellen Entzündungsmarkern ausgesetzt waren, zeigten im Erwachsenenalter deutlich reduzierte Gedächtnisleistungen und eine schwächere Gehirnaktivierung bei kognitiven Aufgaben. Frauen blieben bis zur Menopause weitgehend unbeeinflusst, erlebten dann aber einen deutlicheren Abfall ihrer kognitiven Fähigkeiten.
Schon im Alter von sieben Jahren ließ sich ein Zusammenhang zwischen einer solchen Belastung vor der Geburt und geringeren Leistungen in Lesen, Schreiben und Rechnen erkennen. Ob diese pränatalen Entzündungsreaktionen auch zur erhöhten Demenzrate bei Frauen beitragen, bleibt unklar, da die Teilnehmenden noch nicht das typische Erkrankungsalter erreicht haben.
Gildstwin, J.M. et al.
Prenatal immune origins of brain aging differ by sex
Molecular Psychiatry
11/2024