Subklinische Inflammation

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die (subklinische) Inflammation (engl. "silent inflammation") ist Ausdruck einer angeborenen (unspezifischen) Immunreaktion des Organismus.

Endogene und/oder exogene Reize (s. u. Ätiologie/Ursachen), die physiologische Abläufe gefährden, sind Ursache der Inflammation.

Im Rahmen der Metabolisierung (Verstoffwechselung), z. B. bei der Konjugation polarer und hydrophiler Stoffe (z. B. Glukuronisierung, Methylierung etc), werden Moleküle für die endogene Detoxikation ("Entgiftung") verbraucht, die für die "Neutralisation" exogener Noxen nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.

Die durch den Metabolismus (Stoffwechsel) ausgelöste Inflammation (Entzündung) wird als Metaflammation bezeichnet.

Die subklinische Inflammation und deren Auswirkungen (proinflammatorische Zytokine (entzündungsfördernde Proteine, die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen regulieren): IL-1ß, IL-6, IL-8, TNF-α, IFN-y) sind gemeinsam mit dem oxidativen und nitrosativen Stress Teil eines Circulus vitiosus ("Vicious cycle" nach M. Pall, 2007) [1]. Des Weiteren muss man in dieses Geschehen auch die Mitochondriopathie (Erkrankungen, die durch eine Fehlfunktion oder Schädigung der Mitochondrien verursacht werden) einbeziehen [2].

LPS-induzierte (LPS = Lipopolysaccharide; EndotoxinProzesse über Darm und das dentale Mundhöhlensystem (LPS wird frei beim Absterben von gramnegativen Bakterien, z. B. bei einer Parodontitis) aktivieren einen Molekülkomplex, der über die Signalkette NFkB die Genexpression der Entzündungszytokine TNF-alpha, IL1-beta und IL-6 hochregelt. Des Weiteren kann über die NFkB-vermittelte Genaktivierung die Expression der induzierbaren Stickstoffmonoxid-Synthase ausgelöst werden. Damit schließt sich der Kreis: Die Stickstoffmonoxid-Synthase katalysiert die Bildung von Stickstoffmonoxid (NO) aus der Aminosäure Arginin und induziert damit die Bildung reaktiver Stickstoffradikale ein, deren Überproduktion wiederum Auslöser des nitrosativen Stresses und von Mitochondriopathien ist.
LPS im Serum gilt als ein Marker für eine subklinische Inflammation.

LPS stimuliert Fettzellen, die wiederum verstärkt das Enzym 11β-Hydroxy-Steroiddehydrogenase-1 (11β-HSD-1) exprimieren, welches als Schlüsselenzym des Glucocorticoidmetabolismus gilt. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation der Zelldifferenzierung und -reifung der Adipozyten. Eine deutliche Steigerung dieses Enzyms geht mit einem vermehrten abdominalen/viszeralen, stammbetonten, zentralen Körperfett einher.

Zu einer Endotoxämie ("Vergiftung", die durch den Zerfall von Bakterien verursacht wird) kann es durch eine erhöhte bakterielle Translokation von Endotoxinen kommen:

  • aus dem Darm
  • aus dem dentalen Mundhöhlensystem (z. B. Parodontitis/Entzündung des Zahnhalteapparates)
  • durch eine reduzierte Detoxikationskapazität der Leber (z. B. Hepatitis/Leberentzündung) 

Eine erhöhte bakterielle Translokation von Endotoxinen aus dem Darm kann bedingt sein durch:

  • fettreiche Ernährung (Aufnahme des LPS mit Chylomikronen/Lipoproteinpartikel, die vom Dünndarm über die Lymphe in die Blutbahn sezerniert werden)
  • Leaky-Gut-Syndrom (gesteigerte Darmpermeabilität) [wird kontrovers beurteilt]
  • gestörte Balance der Darmflora (Dysbiose) (hier: Überwucherung mit gramnegativen Bakterien)

Bakterielle oder virale Infekte aktivieren proinflammatorische Zytokine und NO (iNOS), das durch die TH-1 Zytokine aktiviert wird.

Die genannten proinflammatorischen Zytokine können lokale oder systemische Entzündungsreaktionen auslösen.

Zytokine und ihre Wirkung

Zytokin(e) Wirkung IL-1ß, IL-6, TNF-αproinflammatorischIL-8Chemotaktische Rekrutierung von LeukozytenIL-10antiinflammatorischIL-12Differenzierung von TH1-Zellen

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (genetische Konditionen)?
  • Berufe – Berufe, die mit exogen Noxen (Allergene, Schadstoffe etc.) einhergehen 

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Erhöhte Zufuhr gesättigter Fettsäuren (engl saturated fatty acis, SFA) [3]
    • Erhöhte Zufuhr von Lebensmitteln mit hohem glykämischen Index → Erhöhung der NF-κB-Aktivierung und NF-κB-Bindung in mononuklearen Zellen [4]
    • Verzehr belasteter Lebensmittel (z. B. Pestizide, Schwermetalle etc.)
    • Verzehr prozessierter Lebensmittel/verarbeitete Lebensmittel (z. B. Lebensmittelzusatzstoffe)
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen)
  • Körperliche Aktivität
    • Extreme körperliche Arbeit
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor; siehe dazu unter "Fettgewebe als endokrines Organ" – insb. Fetuin A, Tumornekrosefaktor (TNF-Alpha), IL-6 und andere Zytokine
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    • Frauen < 80 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: < 102 cm bei Männern und < 88 cm bei Frauen.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Allergene (Pollinosis/Allergische Rhinitis (Heuschnupfen), Nahrungsmittelallergien, Medikamentenallergien u. a.)
  • Autoimmunprozess-bedingte Erkrankungen
    • z. B. Diabetes mellitus Typ 1
    • Zöliakie/Erkrankung der Dünndarmmukosa (Dünndarmschleimhaut), die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht
    • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED; engl. inflammatory bowel disease, IBD): Colitis ulcerosa, Morbus Crohn)
    • rheumatische Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis)
  • Depression
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Hyperinsulinismus – Vorliegen erhöhter Insulinwerte im Blut (Nüchterninsulin > 17 mU/l)
  • Infektionen:
    • Candidiasis (Sammelbezeichnung für Infektionskrankheiten durch Pilze der Gattung Candida)
    • bakterielle Infektionen: insb. Parodontitis
    • Parasiten
    • virale Infektionen: EBV?, CMV? u. a.

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • CRP (C-reaktives Protein) bzw. hs-CRP (high-sensitivity (hochsensitives) CRP)
  • LPS (Lipopolysaccharide)
  • Nüchterninsulin > 17 mU/l
  • Triglyceride (Hypertriglyzeridämie) [5]

Medikamente

  •  Zytostatika (Substanzen, die das Zellwachstum beziehungsweise die Zellteilung hemmen)

Röntgenstrahlen

  • Strahlentherapie (Radiotherapie, Radiatio)
  • Ionisierende Strahlen 

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Luftschadstoffe: Feinstaub
  • Gefährliche Arbeitsstoffe
  • Kunststoffe
  • Pestizide/Insektizide
  • Schwermetalle